Josephine Pryde (*1967, Grossbritannien)

Conception (2011) stellt eine Serie von insgesamt elf Fotografien dar, auf denen drei Teenagerinnen abgebildet sind. Josephine Pryde hatte die Mädchen gebeten, vor der Kamera so zu posieren, als wären sie soeben mit der Tatsache einer möglichen Schwangerschaft konfrontiert worden. Die triviale Umsetzung gemahnt an Bilder von Fotoagenturen oder an Inszenierungen für kommerzielle Zwecke. Mit den unaufdringlichen formalen Eigenschaften, dem Titel und Beschreibungen wie der oben stehenden, die aus der ursprünglichen Pressemitteilung stammt, nähert sich der Zyklus der Konzeptkunst an: insofern, als jedes Bild primär eine Handlung oder eine Idee zu dokumentieren scheint und die inhärenten ästhetischen Charakteristika der Fotografien untergeordnet anmuten.

Damit bezieht sich Conception – wie alle Arbeiten von Josephine Pryde – auf die Geschichte und die Stilmittel sowohl der kommerziellen als auch der künstlerischen Fotografie. Im Sommer 2012 stellte Josephine Pryde in der Kunsthalle Bern eine Auswahl von vier Drucken aus der Conception-Reihe aus, neben Porträts junger Frauen aus zwei anderen Zyklen: Hiroe Takizawa, Sales and Sales Support Specialist (2008) und Attitudes of Motherhood (2007-2008). Die einzelnen Werke in Attitudes of Motherhood tragen Titel wie A Lifetime of Self-Sacrifice Can Be Blown in One Unguarded Moment oder Mild Jealousy. Sie erhalten so eine narrative Dimension, welche durch die augenscheinlich choreographierte Gestik und Mimik der Modelle bald verstärkt, bald gebrochen wird.

Die Künstlerin bedient sich zwar der Darstellungsstrategien von Kunst und Kommerz, um die enge Beziehung zwischen diesen Feldern zu kommentieren, jedoch geht es ihr vor allem darum, unsere Auffassung einer vermeintlichen fotografischen Wirklichkeit zu hinterfragen. Daher rührt auch ihr Interesse an anderen Arten von Bildlichkeit, beispielsweise an Aurafotografie oder Röntgenaufnahmen. Conception wurde ursprünglich 2011 in der Chisenhale Gallery in London gezeigt, gemeinsam mit einer Serie von Aufnahmen wüstenähnlicher Landschaften, in welche niedrig aufgelöste Ultraschallbilder eines menschlichen Fötus eingefügt sind. In Bern waren die Frauenporträts auf demselben Stockwerk ausgestellt wie eine umfangreiche Serie von „Portraits“ von Meerschweinchen, jenen bei Kindern beliebten Haustieren, welche nichts Anthropomorphes an sich haben und deren Englischer Name „guinea pig“ synonym für die Verwendung als Labortiere verstanden wird, vergleichbar mit dem deutschen Begriff „Versuchskaninchen“.

Das Resultat dieser Gegenüberstellung von „Portraits“ bildet ein Szenario von beissendem feministischem Humor, das vielfältige Fragen aufwirft: nach mechanischer und biologischer Reproduktion, nach Tierversuchen, nach gutem Geschmack und kommerzialisierter „Kunstfotografie“, nach der Porträtkunst, nach der Ästhetik von Tierkalendern und nach den Freuden und Leiden der Mutterschaft.

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