Cristina Iglesias (*1956 Spanien)

Aufgabe der Skulpturen von Cristina Iglesias ist es, Zwischenräume zu schaffen. Bei der Arbeit Ohne Titel, 1991, laufen von rechts und links dünne Wände, Trennwände eher als Mauern, aufeinander zu und in gegenläufiger Krümmung ein Stück weit in den Raum hinein. Das Äußere dieser Wände besteht aus Zementmaterial, ihre Innenseite ist mit einem wie Borke strukturierten Aluminiumrelief ausgekleidet.

Durch ihren architektonischen Charakter, durch ihre Wandähnlichkeit unterscheidet sich diese Arbeit von einer Skulptur im traditionellen Sinne. Andererseits aber reagiert sie nicht spezifisch - wie etwa eine „ortbezogene“ Skulptur der sechziger Jahre - auf die architektonische Vorgabe des Raumes ihrer Ausstellung. Sie nimmt eine Zwischenstellung ein, was ihren Werkstatus betrifft.

So bildet sie einen Zwischenraum, den Raum zwischen der Wand des Ausstellungsraumes und derjenigen der Skulptur, der nach vorn, zum Raum des Betrachters hin geöffnet ist. Ein „Zwischenraum“ ist dieser Raum auch, da er sowohl zum „skulpturalen“ als auch zum „architektonischen“ Raum gehört. Es ist ein Raum des Überganges vom einen zum anderen. Die aluminiumverkleideten Innenwände dann versehen den Zwischenraum mit einer besonderen Qualität, erfüllen ihn mit mattem Glänzen, lösen Empfindungen einer transzendenten räumlichen Realität aus, die doch nicht in einem Anderswo lokalisiert wäre: Mit dem Einblick in den Zwischenraum einer Arbeit von Cristina Iglesias wird die räumliche Realität überschritten, ohne sie zu verlassen.

Der in Holz gerahmte, unverglaste Siebdruck auf Seide, Ohne Titel, 1993, ist beides und beides nicht allein, Abfolge von Hell-Dunkel-Schnitten und Bild eines Reliefs mit Stellen der Ferne und der Nähe: Der Wechsel innerhalb der Darstellungsparadigmen der Fläche und der Tiefe wird verdoppelt durch die Oszillation zwischen diesen selbst - all das im Medium der photographischen, in einen Druck umgesetzten Abbildung eines Waldes. Der Zwischenraum der Skulpturen von Cristina Iglesias findet sich wieder als konzeptionelle Unentschiedenheit der Wiedergabe. U.L.

Werkübersicht